C&L Inventory – Widersprüche inklusive
Das C&L Inventory der ECHA bietet Information und Verwirrung am gleichen Platz. Ein klassischer Fall von gut gewollt und schlecht gemacht.
REACH und CLP – zwei „Monster“
Im Rahmen der aktuellen Chemikaliengesetzgebung gibt es zwei ganz große Gesetzeswerke. Jedes für sich hat seine Haken und Ösen. Neben der REACH-Verordnung (1907/2006/EG), die uns einen enormen Aufwand für die Registrierung von Stoffen beschert hat, steht nahezu gleichrangig die CLP-Verordnung (1272/2008/EU) , die nicht zuletzt in Verbindung mit der REACH-Verordnung für eine harmonisierte Einstufung von Chemikalien zumindest auf dem europäischen Markt sorgen soll.
Die CLP-Verordnung – CLP steht für Classification, Labelling and Packaging also Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung – ist die europäische Implementierung des auf UN-Ebene ersonnenen Globally Harmonized System for Classification and Labelling of Chemicals, kurz GHS. Wie der Name schon sagt strebt man auch auf internationaler Ebene eine Vereinheitlichung der Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien an.
Globale Implementierung ist fragmentarisch
Es ist der möglichst breiten Akzeptanz geschuldet, dass das System modular aufgebaut ist. So kann es auch schrittweise oder mit bestimmten Schwerpunkten implementiert werden. Da die einzelnen Staaten – immerhin gehen sie diesen Schritt überhaupt – von unterschiedlichsten Ausgangspunkten kommen und, meist ihrer Verwaltungsstruktur geschuldet, unterschiedliche Implementierungsprozesse haben, ist das Bild, das die globale Implementierung bietet, nach wie vor noch einigermaßen fragmentiert.
harmonised classification
Öffentliche Plattform mit Meldepflicht
Abgesehen davon bietet auch die Innenansicht der einzelnen GHS Implementierungen noch genug Reibungsflächen für den Anwender. Innerhalb der EU ist wenigstens der Umfang der Implementierung einheitlich. Das ist zumindest im innergemeinschaftlichen Verkehr durchaus von Vorteil. Wenigstens hier muss man sich nicht mit unterschiedlich fortgeschrittenen Regelungen herumschlagen, wie man sie international vielfach noch antrifft.
Die EU-Kommission hatte zudem die glorreiche Idee bei der Umstellung auf GHS im Rahmen der CLP-Verordnung auch gleich eine öffentliche Plattform zu schaffen. Diese soll es jedem Bürger und natürlich besonders dem professionellen Verwender eines Stoffes die Möglichkeit zu geben, schnell und unkompliziert an Einstufungsinformationen zu gelangen. Zu diesem Zweck wurde das „Einstufungs -und Kennzeichnungsverzeichnis“, im Englischen „Classification and Labelling Inventory“ oder C&L Inventory geschaffen. Um es auch ausreichend zu füllen, wurde jeder Inverkehrbringer verpflichtet, seine Stoffe, deren Einstufung und Kennzeichnung in dieses Verzeichnis zu melden.
Das ist vom Prinzip her fraglos keine schlechte Idee. Immerhin gibt es mit vergleichbaren Portalen z.B. der GESTIS-Datenbank in Deutschland, das für den Arbeitsschutz relevante Informationen zu Stoffen sammelt, schon recht gute Erfahrungen. Auch wenn sie bei weitem nicht perfekt ist, stellt sie doch eine einigermaßen brauchbare Quelle für Stoffinformationen dar, die sich sinnvoll für den betrieblichen Alltag nutzen lässt.
Das C&L Inventory sollte sicherlich in die gleiche Richtung gehen. Perspektivisch ist es ja auch eng mit den Ergebnissen der Registrierungen unter REACH verknüpft. Damit ist es zumindest in der Theorie in der Lage, umfangreiche Informationen zu allen am Markt befindlichen Stoffen zu liefern. Leider gibt es da ein großes Problem. Die Zwangsmeldung hat dazu geführt, dass vielfach sehr fragwürdige und in Teilen auch ganz offensichtlich mit völlig unzureichender Kompetenz unterlegte Einstufungen gemeldet wurden.
Fehlende Validierung führt zu mangelnder Harmonsierung
Das C&L Inventory verzichtete zunächst auf eine Validierung und Konsolidierung der eingegangenen Meldungen. Daher stehen nun sinnvolle und offensichtlich sinnlose Einstufungen gleichrangig nebeneinander. Da ist es nur ein kleines Problem, dass Meldungen mit an sich unheiklen, rein formalen Fehlern, wie etwa der fehlenden Wiederholung eines H-Satzes der Einstufung beim Eintrag für die Kennzeichnung, schon zu zusätzlichen Einträgen führen.
Was viel schwerer wiegt, ist aus Sicht des sachkundigen Lesers die Tatsache, dass im C&L Inventory auch keinerlei Informationen gibt, die helfen könnten die Validität der einen oder anderen Einstufung zu beurteilen. Fakt ist nämlich, dass es durchaus Gründe gibt, warum Melder A Stoff X so und Melder B den gleichen Stoff X anders einstuft. Ursache ist hier meist das Verunreinigungsprofil. Das ergibt sich aus mehreren Faktoren. Dazu gehören in erster Linie die Art und Herkunft der zur Herstellung verwendeten Rohstoffe und das Produktionsverfahren. Weiterhin spielen Hilfsstoffe, die bei der Produktion verwendet werden und dementsprechend ihre Spuren im endgültigen Produkt hinterlassen können mitunter eine Rolle.
Sind die Verunreinigungen selbst eingestuft, hängt es in der Regel von ihrer Konzentration ab, ob und wie sie sich auf die Einstufung des betroffenen Stoffes auswirken. Informationen zu relevanten Verunreinigungen fehlen aber im C&L Iventory vollkommen. In der Folge lassen sich hier keine Schlüsse über die Sinnhaftigkeit alternativer Einstufungen ziehen. Das ist allgemein ein Manko. Dort wo eine harmonisierte Einstufung nach Anhang VI der CLP-Verordnung existiert ist es noch ärgerlicher, da es nicht möglich ist Grund und Relevanz ergänzender Einstufungen zu beurteilen.
Diskussionsforen ohne spürbare Ergebnisse
Die Europäische Chemikalien Agentur (ECHA) hat zwar auf die Diversität der Meldungen reagiert, indem Sie für jeden Stoff ein Diskussionsforum zur Abstimmung der Beteiligten zur Verfügung gestellt hat. Da allerdings sehr viele Beteiligte die Meldung offenbar als reine Pflichtübung ohne Mehrwert betrachten und es zudem für eine valide Diskussionsteilnahme häufig auch an der fachlichen Expertise mangelt, ist die Resonanz in diesen Foren denkbar schlecht. Selbst wenn ein Forum aber zu einer Abstimmung wenigstens zwischen den Interessierten führt, bereinigt diese das Bild im C&L Inventory nicht, da nur die jeweiligen Melder ihre Meldungen ändern können und mangels Interesse davon wohl häufig keinen Gebrauch machen. Das ist natürlich nicht im sprichwörtlichen „Sinne des Erfinders“, weshalb etwa in Deutschland solche „Falschmeldungen“ im Rahmen der Chemikaliensanktionsverordnung zumindest als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen belegt werden können.
Im Endergebnis nur zweite Wahl
Das C&L Inventory ist also de facto kaum eine Hilfe, wenn es darum geht einen sinnvollen Eindruck von der Einstufung eines Stoffes zu gewinnen. Selbst die Mehrheitsmeinung der Meldenden muss nicht unbedingt der Wahrheit am nächsten kommen, das ist besonders augenfällig, wenn man Einträge anschaut, die auch die Meldungen aus einer existierenden Registrierung enthalten. Wenn dann sind ja diese Meldungen durch einigermaßen gute Daten unterlegt und so sicherlich die verlässlichsten Informationen.
Man kann das C&L Inventory also durchaus für den ersten Blick auf die Einstufung eines Stoffes gebrauchen. Man muss aber in jedem Fall sehr genau hinsehen. Die besten Informationen sind da immer die, die aus Registrierungen kommen. In diesen Fällen kann man allerdings auch gleich auf die veröffentlichten Inhalte von Registrierungen zurückgreifen. Dort findet zumindest der Fachmann neben der Einstufung im Zweifel nämlich auch gleich die Begründungen für diese Einstufungen. Zudem gibt es gleich weitere interessante Informationen wie z.B. die Risikomanagementmaßnahmen.
Alles in Allem ist das C&L Inventory also kaum so hilfreich wie es eigentlich gedacht war. Gerechterweise muss man sagen, dass das zu einem nicht kleinen Teil durch die Lethargie der Meldenden zurückgeht. Die verhindert, dass einen sinnvolle Harmonisierung und Konsolidierung zustande kommt. Aber gerade deswegen ist für den ersten Eindruck die Property Card der ECHA viel geeigneter, auch wenn sie gewissermaßen einen „worst case“ abbildet. Der Fachkundige wird sich ohnehin anderer Informationsquellen bedienen.